Seit zwei Jahren ist „Shark City” in Pfungstadt Geschichte. Damals hatten wir die leise Hoffnung, dass das Kapitel „Neubauten von Großaquarien“ in Deutschland ein für alle Mal geschlossen bleibt. In Zeiten von Klimawandel und Artensterben wäre niemand so vermessen, so ein Wahnsinnsprojekt noch einmal für Deutschland zu planen.
Weit gefehlt! Ausgerechnet in der Hauptstadt findet genau dies zur Zeit statt. „Coral World“ heißt das Bauprojekt in Berlin, mit erschreckenden Parallelen zu „Shark City”.
Ein israelischer Investor, der bereits mehrere Großaquarien betreibt, plante seit etwa 2015 einen „Familien-Wasserpark“ in der Rummelsburger Bucht (eine Spreebucht im Bezirk Lichtenberg). Der Kauf des Grundstückes wurde veranlasst und die Planungen begannen, mit erwarteter Fertigstellung 2019. Über die Jahre änderten sich aber die Pläne – und bis heute ist kein Spatenstich vollzogen. Nach heutiger Planung soll dort ein reines Großaquarium entstehen – ohne Familienpark, aber nun mit Hotel.
Diese Planänderung rief nunmehr auch die Lokalpolitik auf den Plan – erste Gegenrede tauchte auf. Und dann platzte quasi in der Nachbarschaft im Dezember 2022 der Aquadom im Radisson Blue: 1 Million Liter Wasser, diverse Trümmerteilen und 1.500 tote Fische in der Hotellobby und drei Untergeschossen. Diese Havarie hat die technischen Risiken einer solchen Anlage deutlich vor Augen geführt.
Als Resultat haben die lokalen Behörden die Auflagen verschärft und Doppelverglasungen und Unterteilungen für die neuen Aquarien gefordert. Bekannte Aquarienexperten widersprechen dem Ansatz („völliger Blödsinn”) als nicht umsetzbar ist und zudem unnütz: Bricht die erste Scheibe und fällt in die zweite hinein, wird diese auch brechen.
Nun ergeben sich aktuell interessante Details zum geplanten Bau von „Coral World”. Entgegen vollmundiger Bekundungen, man würde keinesfalls so etwas wie den Aquadom planen, soll in „Coral World“ ein neun Meter hoher Zylinder entstehen; sicherlich nicht annähernd so groß wie der geborstene Aquadom, aber ebenso eine runde Konstruktion mit allen Schwächen eben dieser Konstruktion. Zudem wird ein 840 m² großes Becken geplant. Wäre es nur vier Meter tief ist (was unwahrscheinlich ist), fasst es bereits 3,3 Millionen Liter Wasser. Bei fünf Meter Wassertiefe ergeben sich bereits 4,2 Millionen Liter Wasser, und bei den tatsächlich wahrscheinlichen sechs Metern Beckentiefe werden rund 5 Millionen Liter Wasser für eine Füllung benötigt. Wasser, das ständig verdunstet und wieder aufgefüllt werden muss. Wasser, das ständig auf rund 25°C temperiert (erwärmt) werden muss. Noch eine Rechnung gefällig? Bei nach oben offenen Becken (in dieser Größe sicher anzunehmen) ist schon bei einer Wassertemperatur von 24°C mit einer durchschnittlichen Verdunstung von 7 Litern Wasser pro Quadratmeter und Stunde zu rechnen. Das multipliziert sich bei der Beckengröße auf fast 6.000 Liter pro Tag oder über 150.000 Liter Wasser pro Monat. Zugegeben, unsere Rechnung hat einen Fehler: bei Korallenbecken wird das Wasser auf bis zu 29°C erwärmt, und verdunstet noch deutlich schneller, also mehr Wasser pro Stunde, pro Woche, pro Monat …
Es versteht sich von selbst, dass ein solches Becken nicht ohne große Panoramascheiben fürs zahlende Publikum auskommt. Bei einer Havarie wie der des Aquadoms könnten sich 5 Millionen Liter Salzwasser in die Spree ergießen.
Noch eine Parallele zu bisherigen Großaquariumsplänen ist die fortgesetzte Weigerung der Betreiber, den Tierbesatz zu veröffentlichen: welche Tiere aus welcher Herkunft sollen eigentlich zwischen den Korallen schwimmen? Logisch und für das erwartete Publikum ansprechend wären neben bunten Korallenfischen und Makrelen auch einige Großfische, also Rochen und Haie.
Die Planer von „Coral World” geben diese Besatzliste aber nicht heraus. Die Abgeordnete Hendrikje Klein (Die Linke) erhielt auf ihre Anfrage an die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz als Antwort: „Diese Listen stellen nach Ansicht der CWB Coral-World Berlin mbH ein schutzwürdiges Interesse dar. Der derzeitigen Veröffentlichung wurde seitens der CWB Coral-World Berlin mbH widersprochen.“ (Quelle). Dies bedeutet soviel: Die Ämter der Hauptstadt kennen den geplanten Besatz, dürfen ihn aber nicht veröffentlichen, da das Unternehmen in der Information ein „schutzwürdiges Interesse“ sieht.
Die Abgeordnete Hendrikje Klein hält diese Geheimhaltung der Tierliste für indiskutabel: „Das öffentliche Interesse zu erfahren, welche Fische dort in welcher Anzahl zur Schau gestellt werden sollen, überwiegt deutlich das privatrechtliche. Solange nicht klar ist, was die Ursache für die Katastrophe im Aquadom war, dürfen im Interesse von Tier und Mensch keine neuen Großaquarien genehmigt und gebaut werden.“
Auch die Herkunft der Fische wird weder von den Planern noch von der Verwaltung offengelegt. In jedem Krimi würde der Ermittler sich jetzt fragen: „Was hat der Verdächtige zu verbergen?“ Auch in der Realität hat ein solches Schweigen stets den faden Beigeschmack des Verschweigens. Wir können nur spekulieren, aber für uns stellt sich die Situation (auch aus unserer Erfahrung mit „Shark City”) so dar, dass es sich bei einem Großteil der geplanten Meeresbewohner um Wildfänge handeln wird. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wie Schwarzspitzen-Riffhaie und die oviparen (eierlegenden) Haiarten sind große Haie für ein solches Aquarium nicht zu züchten; sie müssen also wild gefangen werden. Dies betrifft vor allem Sandtigerhaie, die sehr gerne in solchen Aquarien ausgestellt werden.
Ein wichtiger Aspekt: Ab November 2023 tritt die Aufnahme aller Requiemhaie auf die Anhangliste II des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES in Kraft. Diese Arten fallen hiernach für die Aquarienhaltung aus, jedenfalls so lange es mit rechten Dingen zugeht. Dies betrifft unter anderem Arten wie Bullenhaie, Schwarzspitzenhaie und Weißspitzenhaie. Dass die Bestände dieser Haiarten in der freien Natur bedroht sind, erschließt sich aus der Listung auf CITES Appendix II. Das schließt jeden Wildfang für Schauzwecke aus!
Bedeutet: es gibt keine Züchtungen „interessanter” Haiarten, und es darf keine Wildfänge geben. Wenn man als Betreiber dennoch solche Arten ausstellen möchte, hat man ein blütenreines Motiv, dies keinem zu erzählen und alle Belege unter Verschluss zu halten.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass für solche Vorhaben u.U. schon Tiere „gebunkert“ werden. Bei „Shark City” waren es neben diversen anderen Fischen zwei Bullenhaie, die in ihren viel zu kleinen Becken vor sich hin vegetiert sind und letztlich nach zwei Jahren verstorben sind.
Die Zusammenfassung aller unserer Einwände:
– Es wird ein Aquarium der Superlative geplant.
– Es werden für ein Großaquarium in Zeiten des Klimawandels extreme Energieressourcen verschwendet.
– Es werden in Zeiten von zunehmender Wasserknappheit und sinkenden Grundwasserständen permanent extreme Wassermassen für den laufenden Betrieb benötigt.
– Es werden viele Fische (neben Korallenfische vermutlich auch Haie und Rochen als Wildfänge) über weite Transportwege mit hoher Mortalitätsrate in ein Aquarium verfrachtet.
– Es werden Wildfänge aus dem Meer entnommen, die dort dringend zur Erhaltung des Ökosystems vorhanden sein müssen.
– Es ist nicht möglich, Haie, Rochen oder Konchenfische artgerecht in einem Aquarium zu halten.
– Es ist nicht möglich, Haie mit passiver Atmung wie z.B. Schwarzspitzenhaie artgerecht in einem Aquarium zu halten, da diese Tiere immer schwimmen müssen, um nicht zu ersticken.
– Es wird mit Touch-Pools und Tauchen geworben, obwohl diese Praxis mehr als umstritten ist und die Tiere permanentem Dauerstress aussetzt.
– Es wird mit völlig utopischen Besucherzahlen von 500.000 Besuchern pro Jahr geworben.
– Es wird das Veterinäramt mit „Experten“ verbunden, die selbst Aquarienbetreiber sind, z.B. dem Berliner Zoogarten. Ein Eigeninteresse ist hier nicht auszuschließen.
– Es wird mit Bildung geworben, die ob solcher Großaquarien durchaus sehr umstritten ist und oftmals nur ein Alibi für ein Geschäftsmodell darstellt.
… und letztlich, im Fall einer Havarie, entstehen weit größere Schäden in der Umwelt und u.U. auch für Personen als die im Radisson Blue.
Auf diese Punkte haben wir die Bezirksregierung bereits am 21. September 2021 hingewiesen, ohne erkennbare Reaktion.
Machen wir uns nichts vor: Hier geht es nicht um Tierliebe von Aquaristen. Hier geht es um ein Geschäft auf dem Rücken (besser gesagt: auf den Flossen) der Knochenfische und Elasmobranchii (die Familie Plattenkiemer, der Rochen und Haie), die dort ihr meist sehr kurzes Leben verbringen müssen.
Diese Duplizität der Ereignisse zu „Shark City” werden wir genauso nehmen!
[Hinweis: Wir hatten einen Rechenfehler im Text, den wir korrigiert haben.]
#MeerSchutzDurchWissen #CoralWorld #Rummelsburger #Berlin