Gefahren für das Meer, für seine Bewohner - und für uns

Lange hielt sich die Vorstellung, unsere Ozeane seien zu groß, um ihnen durch unseren menschlichen Einfluss Schaden zuzufügen. Aber dem ist nicht so!

Die Klimakrise, die Meeresverschmutzung und die Überfischung, vor allem durch industrielle Fangflotten, bedrohen praktisch alle marinen Lebewesen. Ganze Populationen von Fischen verschwinden aus dem Meer. Korallenriffe gehen an steigenden Temperaturen, Ozeanversauerung und Schäden durch Schleppnetzfischerei zugrunde. Haie werden weltweit wegen Ihrer Flossen gefangen. Die besonders brutale Praxis des Finning, wobei dem Hai bei lebendigem Leibe die Flossen abgeschnitten werden, wird immer noch weltweit praktiziert, auch wenn einzelne Länder, darunter auch die EU, voranschreiten und es verboten haben. Doch greifen Schutzabkommen oft gar nicht oder nur sehr begrenzt. Forscher fordern daher in einer Greenpeace-Studie, 30% unserer Ozeane bis zum Jahr 2030 unter Schutz zu stellen, damit sich die Natur nachhaltig regenerieren kann [Quelle 1]. Davon sind wir derzeit mit gerade einmal 4-7% weltweiten Meeresschutzgebieten weit entfernt.

  • Tiefenwasser
Praxis des Finning

Beim sogenannten „Finning“ werden dem Hai bei lebendigem Leibe die Flossen abgeschnitten und das Tier meist noch lebend wieder über Bord geworfen. Da Haie Knorpelfische sind, verbluten die Tiere nicht direkt, denn das Knorpelgewebe um die Flossen ist nicht stark durchblutet. Die Tiere ersticken qualvoll am Meeresgrund oder werden bei lebendigem Leibe von Fischen gefressen, da sie bewegungsunfähig und damit wehrlos sind.

Seit Juli 2013 ist Finning in der EU ausnahmslos verboten. Es gilt die „Fins Attached Policy“, was so viel bedeutet, dass die Tiere zwingend mit den Flossen am Leib angelandet werden müssen. Trotzdem wird Finning noch weltweit in der Fischerei außerhalb der EU praktiziert, da die Flossen ein Vielfaches des Fleisches wert sind und das Fleisch unnötigen Platz im Bauch der Schiffe einnehmen würde.


Quelle:

Regulation (EU) No 605/2013 of the European Parliament and of the Council of 12 June 2013 amending Council Regulation (EC) No 1185/2003 on the removal of fins of sharks on board vessels. OJ L 181, 29.6.2013, p. 1–3.

http://data.europa.eu/eli/reg/2013/605/oj

Meeresschutzgebiete

Im Jahre 2014 forderte die International Union for Conservation of Nature (IUCN), 30% der Meere bis 2030 unter Schutz zu stellen – das “30 by 30”-Ziel [Quelle 1].

Diese Forderung hat einen ganz wesentlichen Grund: So genannte „No take“-Schutzgebiete erlauben es den dort ansässigen Arten, sich wieder stärker zu vermehren. Im Vergleich zu konventionell befischten Gebieten sehen wir in teilweise geschützten Zonen einen um bis zu 343% höheren Fischreichtum, respektive Biomasse, in No take – Zonen bis zu 670% mehr Biomasse [Quelle 2].

Den umliegenden Gebieten kommt dann der sogenannte „Overspill-Effekt“ zugute: Der zusätzliche Fischreichtum überschwemmt irgendwann die Grenzen des Schutzgebiets, und die Fischer – im Idealfall kleine, nachhaltige und einheimische Fischereien – profitieren

ihrerseits vom Schutz des Meeres durch eine gesicherte Nahrungs- und Einnahmequelle.

Aktuell sind wir vom “30 by 30”-Ziel noch weit entfernt: Weltweit stehen nicht einmal 7% der Ozeane unter Schutz, davon knapp 2% “No Take”-Zonen, so die IUCN.

Laut der European Environment Agency bestehen im Jahre 2020 10% der europäischen Gewässer aus “effektiv und gerecht verwalteten, ökologisch repräsentativen und gut vernetzten Systemen von Schutzgebieten” [Quelle 3]. Diese befinden sich hauptsächlich entlang der Küsten, in den Schelfmeeren, wo die Biodiversität am größten ist. Eine Studie der Universität Halifax, Kanada unter der Leitung des deutschen Meeresbiologen Manuel Dureuil [Quelle 4] fand allerdings heraus, dass die Fischereiaktivität, insbesondere Schleppnetzfischerei, in diesen Gebieten sogar 1,5-mal so hoch war wie außerhalb dieser Gebiete.

Wirklicher Schutz und “No Take” sieht anders aus.

Ganz konkret kann man dies an den Schutzgebieten um die Azoren erkennen.

Seit vielen Jahren hat die Lokalregierung in Zusammenarbeit mit Experten Meeres- und Naturschutzzonen etabliert, die sich im Meer rund um die Inseln der Azoren und auf dem mittelatlantischen Rücken gruppieren.

Seit dem 8.7.2008 sind Naturschutzgebiete um die Azoren gesetzlich festgelegt [Quelle 5] - zumindest auf dem Papier. Doch was bedeutet das in der Realität? Es handelt sich bei den Hochseeschutzzonen nicht um „No Take“-Zonen, sondern um Meeresschutzgebiete, in denen bewusst alle pelagischen großen Arten wie Schwertfisch, Thunfisch und Hai vom Schutz ausgenommen sind. Das hat zur Folge, dass Fischer sehr bewusst in diese Hochseeschutzgebiete fahren, um dort genau diese Arten zu fangen. Spanische und portugiesische Longlining-Schiffe beuten die Schutzgebiete systematisch aus. Auch die einheimische „Pole and Line“-, also Angelfischerei hat Genehmigungen, in diesen Gebieten Thunfisch und Bonito zu fischen. Mit Schutzgebieten oder Nachhaltigkeit hat das nicht viel zu tun.


Quellen:

1 IUCN: Issues Brief (Zugr. 10.10.20): Marine protected areas and climate change.

https://www.iucn.org/resources/issues-briefs/marine-protected-areas-and-climate-change

2 N. Knowlton (2021): Ocean Optimism: Moving Beyond the Obituaries in Marine Conservation. Annual Review of Marine Science.

https://doig.org/10.1146/annurev-marine-040220-101608

3 European Environment Agency (Zugr. 10.10.20): Marine Protected Areas.

https://www.eea.europa.eu/themes/water/europes-seas-and-coasts/assessments/marine-protected-areas

4 Dureuil et al. (2018): Elevated trawling inside protected areas undermines conservation outcomes in a global fishing hot spot. Science.

https://doi.org/10.1126/science.aau0561

5 Decreto Legislativo Regional n.° 19/2008/A, 8 de Julho de 2008.

Überall werden unsere Ozeane zum Profit einzelner Akteure in Mitleidenschaft gezogen. Dabei sind diese blauen Ökosysteme das Herz und die Lunge unseres Planeten. Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir unsere Klimaanlage, den wichtigsten Sauerstoff- und

Nährstofflieferanten.

Die Zeit, unsere Meere zu schützen, ist jetzt – denn sie gehören uns allen.

Quellen:

(Leserichtung, links nach

rechts, oben nach unten)

1. C. M. Roberts et al. (2019): Deutsche Zusammenfassung der Studie “30X30:

A Blueprint for Ocean Protection”, Greenpeace International. https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/s02421-201904040-greenpeace-report-30x30-meeresschutzgebiete-zusammenfassung.pdf

Bildnachweise:

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Friederike Kremer-Obrock