Verschmutzung der Meere

Unsere Meere bedecken 70 Prozent unserer Erdoberfläche und beherbergen das größte zusammenhängende Ökosystem unseres Planeten mit immenser biologischer Vielfalt, von der vieles noch unerforscht ist, insbesondere die Tiefsee. Die Meere liefern mehr Sauerstoff als der gesamte Regenwald zusammen und stabilisieren das Klima, indem sie Treibhausgase speichern. Sie beherbergen

wichtige Rohstoffe, sind Transportweg für den internationalen Handel, liefern Nahrung und Energie für die Küstenbewohner, bieten Platz für Siedlungs- und Erholungsräume. Viele der größten Megastädte liegen an der Küste. Der Mensch nutzt also die Gaben, die das Meer ihm bietet, doch wie sieht unsere Gegenleistung aus? Wir hinterlassen Wunden im Ökosystem Ozean durch unsere

unvorsichtige, rücksichtslose Lebensweise. Zunehmend gestresst stöhnt es unter der Last von Klimawandel und Umweltverschmutzung durch den Menschen, das einzige Lebewesen auf der Erde, das Müll erzeugt.

  • Tiefenwasser
Tiefsee

Die Tiefsee bedeckt mehr als die Hälfte der Oberfläche unseres Planeten. Anders als in Jule Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“

liegt ihre tiefste Stelle allerdings bei „nur“ 11 Kilometern. Im Mittel ist die Tiefsee 3.688 Meter tief [Quelle 1]. Wer sich ein Bild dieser Ausmaße machen möchte, findet hier einen virtuellen Tauchgang: https://neal.fun/deep-sea/


Die Gewässer der Tiefsee beginnen an den steilen Hängen der Kontinentalschelfe, auf denen der Meeresgrund selten unter 200 Meter fällt. Am Fuß der Kontinentalhänge liegen die tiefen ozeanischen Becken, durchbrochen von Inselgruppen und

unterseeischen Bergen, Gebirgsketten wie dem Mittelatlantischen Rücken und tiefen Schluchten wie dem Marianengraben. Inselgruppen sind vulkanischen Ursprungs; die Gebirge entstehen durch Spreizung des Meeresbodens an der Grenze zweier tektonischer Platten, während die Tiefseegräben das Resultat einer

„Subduktionszone“ sind, bei der eine Platte unter die andere gleitet und im Erdinneren eingeschmolzen wird [Quelle 2].


Die Tiefsee lässt sich unterteilen in das Benthal (von griech. „Tiefe“), die Bodenzone, und das darüberliegende Wasser, das Pelagial (von griech. „Meer“).


Das Nahrungsangebot im Benthal ist bescheiden, denn in 200 Metern Wassertiefe endet die sogenannte „euphotische Zone“, in der genügend Licht für Photosynthese vorhanden ist, und es beginnt die „Dämmerzone“ (engl. twilight zone). Unterhalb der 1.000m-Grenze ist es nachtschwarz, kein Licht dringt mehr in diese Gefilde. Daher sind alle Bewohner der Tiefsee von dem abhängig, was von oben herunterrieselt, es besteht eine sogenannte „benthisch-pelagische Kopplung“ [Quelle 3]. „Mariner Schnee“ entsteht durch absinkendes Phyto- und Zooplankton und die Ausscheidungen pelagisch lebender

Tiere. Manchmal, wenn größere Tiere wie beispielsweise ein Wal sterben und die Zone des Tageslichts für immer verlassen, gibt es am Grund der Tiefsee ein großes Festmahl. Schleimaale, Krebstiere, Haie und viele weitere versammeln sich dann an der Tafel im Dunkelrestaurant und konkurrieren um die besten Happen. In zahlreichen Tiefsee-Expeditionen stießen Forscher so auf neue Arten

und sahen sich mit einer unerwartet hohen Lebensvielfalt konfrontiert.


Unerwartet deshalb, weil die Tiefsee, die fernab der Atmosphäre liegt, kaum natürlichen Schwankungen durch Jahreszeiten, Unwetter oder Tageslänge unterliegt. Auch mangelt es hier unten an Lebensraumdiversität, der Boden ist abgesehen von Zonen mit schwarzen Rauchern eher uniform, und es gibt nur wenige „Ingenieur-Spezies“, die sich und ihren Nachbarn einen eigenen Lebensraum bauen [Quelle 4]. Zu diesen zählen die Kaltwasserkorallen, die bis in eine Tiefe von etwa 3.000 Metern vorkommen [Quelle 5].


Das wahrscheinlich größte Kaltwasserkorallenriff der Welt liegt vor unseren Küsten, von Norwegen bis Spanien [Quelle 5]. Ein weiteres liegt vor Mauretanien einem halben Kilometer unterhalb der lichtlosen Wassersäule. Es besteht größtenteils aus Kolonien

der Lophelia pertusa und ist etwa 120.000 Jahre alt. Die Korallen

wachsen nur sehr langsam, schätzungsweise 16 cm in tausend Jahren [Quelle 7], daher sind diese Ökosysteme besonders anfällig gegenüber Öl- und Gasförderung, Mineralabbau und insbesondere Schleppnetzfischerei [Quelle 6]. Doch auch der Raubbau in den oberflächennahen Gewässern macht sich in der Tiefsee bemerkbar:

Fehlen die großen Schwärme, können sie die dunklen Böden des Meeres nicht mehr mit Nährstoffen aus marinem Schnee versorgen.


Man weiß immer noch nur wenig über die Tiefsee, da sie für uns schier unerreichbar ist (außer natürlich, wenn wir unser Plastik dort versenken). In dick gepanzerten Stahlkästen kann man zwar hinunterrauschen und eine Momentaufnahme betrachten. Doch Forscher sind sich einig, dass diese Unterfangen bisher wenig

repräsentativ sind. Wenn wir mit lautem Gepolter unten ankommen, haben wir den Großteil der Lebewesen bereits verschreckt, und nur noch die mutigsten oder neugierigsten Bewohner der Finsternis gelangen in den Schein unserer Lampen.


Beispielsweise gelangen erst 2005 die ersten Filmaufnahmen, die die Existenz des sagenumwobenen Riesenkalmars Architheutis dux bestätigten [Quelle 8]. Zehn Jahre später entwickelte Edith Widder ein Kamerasystem, bei dem die Anlockung des Riesenkalmars auf den Leuchtmustern seiner Beute beruhte, und erreichte dadurch spektakuläre Aufnahmen [Quelle 9, Video].


Wenn die Menschen wieder fort sind, feiern die Tiere der Tiefsee eine Party – und bringen dafür ihre eigenen Lichter mit. Für ihre Biolumineszenz ist eine Symbiose mit Bakterien zuständig, die in speziellen Leuchtorganen der Tiere leben [Quelle 10]. Das kalte Licht hat verschiedene Funktionen: Zum einen kann es der Anlockung von Geschlechtspartnern dienen, wie beispielsweise bei einigen

Tintenfischen, oder auch zum Beutefang. Das prominenteste Beispiel ist wohl der Anglerfisch, der Marlin und Dory in „Findet Nemo“ in seinen Bann zieht.


Auch zur Tarnung können die Leuchtorgane dienen: Blickt man von unten zur Wasseroberfläche, heben sich die Silhouetten der Meeresbewohner ab. Das machen sich die Gespensterfische (engl. barreleye fish) zunutze, die aus einem durchsichtigen Schädel heraus die Wassersäule über sich nach Beute absuchen.


Doch viele Tiefseebewohner, besonders in höheren Wasserschichten, tragen Leuchtorgane auf der Bauchseite, sodass sie für ihre Fressfeinde von unten unsichtbar werden.


Ein ganz cleveres Kerlchen ist der Zigarrenhai Isistius brasiliensis, der

den charmanten englischen Artnamen cookiecutter shark trägt. Seine leuchtende Bauchunterseite wird nahe der Kiemen von einem dunklen Band durchbrochen, mit dem er größere Räuber anlockt [Quelle 11]. Diese fallen dann seinem kreisrunden Gebiss zum Opfer, wenn er ihnen ein zentimetergroßes Loch in die schmackhafte Haut stanzt. Ohne es zu wissen, ist er dadurch zu einer Legende geworden. Seemänner hielten die perfekt runden Wunden an Walen und Co.

für Kampfspuren eines gigantischen Tintenfischs und erzählten sich das dickste Seemannsgarn von diesem Ungeheuer.


Die größte und gravierendste Geschichte der Tiefsee aber bleibt wohl der Ursprung des Lebens, der sich wahrscheinlich an den hydrothermalen Quellen vollzog. Dort, wo eine Vielzahl an chemischen Elementen aus dem Inneren der Erde sprudelte, kochten

die porösen Schlote nach heutigem Wissensstand die Grundbausteine der Biologie zusammen: Die DNA, umgeben von einer fettigen Zellmembran. 2015 gelang Forschern erstmals die Bestätigung dieser chemischen Prozesse [Quelle 12].


Das Leben auf der Erde war also von Anfang an von der Tiefsee abhängig. Diesen Fakt, der auch heute noch gilt, zu ignorieren, kann fatale Folgen mit sich ziehen. Doch es ist wie alles im Meer: Unter einer blauen Oberfläche verschwimmen die Details, und was sich dort abspielt, scheint uns fern. Nichts jedoch sollte uns näher liegen

als unser Ozean und die Bemühungen, ihn zu schützen.


Quellen:

1. National Oceanic and Atmospheric Administration, National Ocean Service (Zugr. 10.10.20): How deep is the ocean? https://oceanservice.noaa.gov/facts/oceandepth.html#:~:text=That%27s%201.7%20miles%20down!,U.S.%20territorial%20island%20of%20Guam

2.

Spektrum der Wissenschaft – Lexikon der Geowissenschaften (Zugr. 10.10.20): Plattentektonik.

https://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/plattentektonik/12407

3. J.R. Griffiths et al. (2017): The importance of benthic-pelagic coupling for marine ecosystem functioning in a changing world. Global Change Biology.

https://doi.org/10.1111/gcb.13642

4. Spektrum der Wissenschaft – Lexikon der Biologie (Zugr. 10.10.20): Tiefsee.

https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/tiefsee/11850

5. BIOACID (Zugr. 10.10.20): Kaltwasserkorallen.

https://www.oceanacidification.de/kaltwasserkorallen/

6. Alex Brylske (Zugr. 10.10.20): Reefs in the deepfreeze: Understanding cold water corals.

https://dtmag.com/thelibrary/reefs-deepfreeze-understanding-cold-water-corals/

7. C. Wienberg et al. (2018): The giant Mauritanian cold-water coral mound province: Oxygen control on coral mound formation. Quaternary Science Reviews.

https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2018.02.012

8. T. Kubodera et al. (2005): First-ever observations of a live giant

squid in the wild. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences.

https://doi.org/10.1098/rspb.2005.3158

9. Edith Widder (2013): How we found the giant squid. TED talks.

https://www.ted.com/talks/edith_widder_how_we_found_the_giant_squid

10. Spektrum der Wissenschaft – Lexikon der Biologie: Leuchtsymbiose.

https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/leuchtsymbiose/39074

11. FishBase (Zugr. 10.10.20): Cookiecutter shark. https://www.fishbase.se/summary/696

12. M. Kreysing et al (2015): Heat flux across an open pore enables the

continuous replication and selection of oligonucleotides towards increasing length. Nature Chemistry.

https://doi.org/10.1038/nchem.2155

Müllberge, die sich häufig an den Küsten türmen, sind für alle oder zumindest für die meistens ein Problem; ein sichtbares Problem, über das man sich Gedanken macht und nach Lösungen sucht. Aber viele Verschmutzungen enden eben nicht als sichtbarer Müllberg vor der Haustüre, z.B.:

  • Nitrate und Phosphate durch industrielle Landwirtschaft, Tiermast, intensiven Ackerbau.
  • Chemie und Schwermetalle durch industrielle Abwässer, Abgase, Bergbau, Ölverbrennung.
  • Radioaktivität durch Atomkraftwerke - Betreiber USA, Russland, Japan u. europäische Staaten.
  • Ölverschmutzung durch Abwässer, Leckagen bei der Ölförderung, Tankerunfälle, Ölplattformen [Quelle 1].
  • Munition im Meer durch Weltkriege und andere Konflikte.
  • Lärm und Schall durch Tiefseebergbau, Seeverkehr, militärische Aktivitäten, Rammen von Spundwänden für Häfen und Pfählen für Offshore-Anlagen, Suche nach Öl- und Gasvorkommen mit Schallkanonen, Öl- und Gasförderung
  • Plastikmüll, ca. 20% entstehen auf See und ca. 80 % an Land [Quelle 2]. Durch Strömungen werden sie in den Ozeanen verteilt. Fünf große Müllstrudel sind bekannt. Der meiste Müll landet jedoch an den globalen Küsten. Zum Plastikmüll zählen auch die ausrangierten Fangnetze, genannt Geisternetze, welche den Meeren hinterlassen werden.


Der Plastikmüll im Meer ist ein so großes Thema, dass wir ihm eine eigene Seite widmen.

  • Tiefenwasser
Lärm und Schall - seismische Messungen 

Mit sogenannten Airguns werden in rascher Folge alle 10 bis 15 Sekunden knallartige Schallwellen mit sehr hohen Pegeln ausgesendet. Reflektionen der unterschiedlichen Schichten des

Meeresuntergrundes geben Auskunft über mögliche Lagerstätten fossiler Rohstoffe, aber auch für Offshore-Windparks werden diese Messungen eingesetzt. Bis zum Jahr 2002 fanden diese Messungen regelmäßig in der deutschen AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone) in der Nordsee statt. Die letzte Erkundung wurde im Jahr 2007

im Bereich des Natura 2000-Gebietes „Doggerbank“ durchgeführt, direkt neben, teils sogar in diesem Schutzgebiet. Seismische Untersuchungen führen zu den stärksten durch den Menschen beeinflussten Belastungen der Meere mit Unterwasserschall. Diese extremen Schallwellen können Unterwasserlebewesen im

schlimmsten Fall schwer verletzen, ja sogar töten oder versetzen die Tiere in Panik, so dass sie aus den jeweiligen Meeresgebieten fliehen.


Quelle:

Bundesamt für Naturschutz (Zugr. 10.10.20): Meeresnutzung.

https://www.bfn.de/infothek/daten-fakten/nutzung-der-natur/meeresnutzung/ii-52-20-21-maritime-aktivitaeten-in-der-awz.html

Quellen:

(Leserichtung, links nach

rechts, oben nach unten)

1. Statista GmbH (Zugr. 10.10.20): Anzahl der Bohrinseln zur Öl- und Gasförderung in Wassertiefen über500m nach Regionen. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/160548/umfrage/oel--und-gasfoerderung-in-tiefsee-bohrinseln/

2. Heinrich Böll Stiftung (2017): Meeresatlas: Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean (Auflage3).

https://www.boell.de/de/meeresatlas

Bildnachweise:

(Leserichtung, links nach

rechts, oben nach unten)

Friederike Kremer-Obrock