Gleich zwei wissenschaftliche Forschungen untersuchen derzeit, wie Basstölpel durch Plastik im Meer gefährdet sind, und welchen Ursprung dieses Plastik hat. ElasmOcean war vor Ort und begleitet diese Forschung.
Der Ornithologe und Umweltwissenschaftler Elmar Ballstaedt untersucht in seiner Studie „Basstölpel und Meeresmüll“, wie sich Plastik auf das Leben der großen weißen Seevögel auf dem Lummenfelsen auf Helgoland auswirkt. Er beobachtet, dass zunehmend Plastikstücke zum Nestbau verwendet werden – mit verheerenden Folgen. Seine Studie forscht in Kooperation mit dem Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (FTZ), dem Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V., dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), dem Institut für Vogelforschung “Vogelwarte Helgoland” (IfV) und der Gemeinde Helgoland. ElasmOcean begleitet dieses Forschungsprojekt medial.
Zugleich erforscht das Thünen-Institut, welchen Ursprung einzelne Plastikteile in der Nordsee haben, und wie das verhindert werden kann. Die bundesunmittelbare Behörde in Braunschweig untersucht mit wissenschaftlichen Methoden Herkunft, Verbreitung und Wege insbesondere von Fischereinetzen, die ganz oder in Teilen im Meer abgehen und dort durchaus weite Wege zurücklegen, bevor sie entweder zu Mikroplastik zerrieben werden, oder eben (und das ist die Verbindung zu den Basstölpeln) von Tieren aus dem Meer genommen werden, und hierdurch andere Probleme für das Ökosystem darstellen.
Anfang August machte sich eine fünfköpfige Abordnung von ElasmOcean auf den Seeweg nach Helgoland, um Deutschlands einzige Seevogel-Kolonie zu besuchen. Unser Ziel war es, mehr über diese wundervollen und imposanten Tiere zu erfahren, und sie dafür hautnah zu erleben und zu beobachten. Der Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V., vertreten durch den Wissenschaftler Elmar Ballstaedt, hat uns über sein Projekt „Basstölpel und Meeresmüll“ aufgeklärt. Alisa Rohrbach hat uns am Lummenfelsen die Seevögel in Aktion gezeigt, und Damaris Buschhaus informierte uns auf der Düne über deren Nachbarn, die Meeressäuger.
Der größte der Lummenfelsen-Bewohner ist der Basstölpel, der seit 1991 auf Helgoland nistet. Er ist aber dort nicht allein, sondern teilt sich Helgolands Westküste mit vier weiteren Seevogelpopulationen: dem Tordalk, der Dreizehenmöwe, dem Eissturmvogel und den Trottellummen. Sie leben zeitweise gleichzeitig am Felsen, da jede Art für sich andere Anforderungen an den Platz und die Nahrung hat. Alle fünf Arten leben friedlich miteinander. Ihnen gemeinsam ist, dass sie nur zum Brüten und zur Aufzucht auf die Insel kommen, und ansonsten den Großteil ihres Lebens auf dem offenen Meer verbringen.
Der Basstölpel (Morus bassanus) ist ein gänsegroßer Hochseevogel, der seit 1991 auch in Deutschland lebt. Der Name leitet sich von der schon 1448 beschriebenen Kolonie am Bass Rock in Schottland ab – und aus der Seefahrerbezeichnung „Bobo“, die als „Dummkopf“ übersetzt werden kann. Den Namen bekam der Tölpel, da er sich gerne ohne Furcht auf den Booten der Fischer niederließ und so auch einige Mal in deren Pfanne landete.
Er erreicht ein Maximalgewicht von etwa 3-4 Kilogramm und ein durchschnittliches Alter von 18 Jahren. Im Laufe seines Lebens wird er dabei ca. 80-110 Zentimeter groß, mit einer Flügelspannweite zwischen 165 und 190 Zentimetern.
Der Basstölpel wird erst mit 5 Jahren geschlechtsreif und lebt dann monogam mit seinem Partner bis ans Ende seines Lebens. Ist ein Nistplatz gefunden, wird auch dieser jedes Jahr wiederverwendet. Jahr für Jahr wird das Nest modernisiert, und dafür ähnlich wie bei Greifvögeln immer „oben drauf“ gebaut. So kann man auf Helgoland einzelne alte Nester finden, die über 50 Kilogramm wiegen können.
Die Nahrung des Basstölpels besteht überwiegend aus Fischen, die er sich durch das sog. Stoßtauchen fängt. Dabei legt er die Flügel eng an den Körper an, um dann wie ein Pfeil mit bis zu 100 km/h ins Wasser zu schießen, bis zu 25 Meter tief. Beim Hoch- und Auftauchen versucht er dann, sich einen Fisch aus einem Schwarm zu schnappen. Aber ähnlich wie die Raub-, Dreizehen- und diverse größere Möwen sowie die Eissturmvögel nutzen Basstölpel auch das Nahrungsangebot, das sich ihnen durch die Hochseefischerei bietet.
Jedes Jahr im Frühling kommen die Basstölpel in das Naturschutzgebiet Lummenfelsen auf Helgoland. Die schon bestehenden Paare modernisieren ihr Vorjahresnest und legen mit etwas Glück ein Ei, aus dem nach ca. 42-55 Tagen ein junger Basstölpel schlüpft. Der Jungvogel braucht nun noch 84-97 Tage, bis er groß genug ist, um selber den Felsen verlassen können. Unmittelbar nach dem Schlüpfen sind die Küken sehr klein und schwach, und so kommt es häufig vor, dass die kleinen Tölpel ihren recht großen und schweren Kopf noch nicht heben können und einfach nur da liegen, bis sie stärker sind. In dieser Zeit kümmern sich die Eltern abwechselnd um ihren Nachwuchs.
Jedes Mal, wenn ein Partner von der Nahrungssuche zurückkommt, begrüßt das Paar sich liebevoll. Dabei strecken beide die Schnäbel in die Höhe und reiben diese aneinander. Gleiches wiederholen sie mit nach unten geneigten Köpfen; dabei bilden ihre Köpfe und Hälse häufig eine Herzform.
In den nächsten Wochen wachsen die jungen Basstölpel heran und ihr Federkleid entwickelt sich: junge Basstölpel sind am Anfang sehr dunkel im Vergleich zu ihren älteren Artgenossen. In den ersten vier Lebensjahren wird ihr Federkleid immer heller, bis es das strahlende Prachtkleid der adulten Basstölpel entwickelt hat. So kann man junge Tölpel wunderbar am schwarz-weiß-gefleckten Körper erkennen.
Im Jahr 2020 brüteten 1.289 Paare auf Helgoland. Im Jahr davor waren es 1206, 2010 gerade einmal 443 Paare gewesen. Die Anzahl der Paare steigt – allerdings bekommt die Kolonie auch eindeutig Zuwachs aus anderen Kolonien. Basstölpel werden erst mit fünf Jahren geschlechtsreif und haben oftmals nur ein Küken, daher reicht ihre eigene Reproduktion auf Helgoland nicht aus, um das Wachstum der Kolonie zu erklären.
Wir haben uns in diese wundervollen Geschöpfe verliebt, wie sieht es bei Euch aus?
Unser Artikel ändert jetzt etwas den Tonfall. Wir sind ja nicht im August nur nach Helgoland gereist, um Seevögel zu beobachten – es gibt dort ein Umweltproblem, das Gegenstand der wissenschaftlichen Forschungen ist, die ElasmOcean begleitet.
Hier das Ökoproblem der Basstölpel: Sie benutzen bevorzugt jedes Jahr das gleiche Nest. Da es durch Winde und Stürme in Mitleidenschaft gezogen wird, müssen die Nester von ihren Besitzern immer wieder „modernisiert“ werden. Hierfür benötigen die Tölpel Baumaterialien, die sie vor allem im Meer rings um die Insel finden. Wenn die Basstölpel ihre bis zu 300 Kilometer weiten Nahrungsflüge unternehmen, versuchen sie, auf dem Rückweg auch Baumaterial mitzubringen. Natürliche Materialien sind dabei Seegräser und diverse Algenarten.
Leider verwenden die Tiere aber nicht nur natürliche Materialien, und so findet sich in etwa 9 von 10 Nestern Plastik aus dem Meer. Das oftmals bunte Zeug wird gerne genommen, da es von der Struktur den natürlichen Materialien ähnelt und leicht zugänglich an der Meeresoberfläche schwimmt. Es zersetzt sich kaum, und so kommt es, dass die älteren Nester heute teilweise über 50 Kilogramm wiegen – überwiegend aus Plastik zusammengesetzt.
Leider bleiben die Folgen nicht aus: Immer wieder verstricken die Tiere sich in den Kunstfasern – es kommt zu schnellen Erdrosselungen oder langsamem Verhungern, fluchtunfähig verstrickt. Der sichere Tod der Tiere.
So verenden auf Helgoland jedes Jahr rund 60 Basstölpel und rund 100 Trottellummen. Teilweise sterben die Tiere schnell, doch mancher Todeskampf dauert auch Tage.
Dem aufmerksamen Beobachter am Lummenfelsen stellt sich die Frage: „Kann man den Tieren helfen, wenn man es rechtzeitig bemerkt?“ Die Antwort ist leider ein klares „Nein“. Der Grund ist, dass benachbarte Tölpel- und Lummenküken bei menschlicher Annäherung zu flüchten versuchen, und somit flugunfähig den gut 50 Meter hohen Felsen hinab in den Tod stürzen.
Jedes Jahr kommen rund 400.000 Besucher auf die schöne Insel. Die meisten entdecken nur die schönen Seiten des Lummenfelsens, da bei den Tagestouren oft nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Wir haben uns den Lummenfelsen fünf Tage lang genau angeschaut und sehr viele traurige Entdeckungen machen müssen, was uns die eine oder andere Träne über die Wange laufen ließ.
Immer wieder kann man Basstölpelfamilien sehen, die auseinandergerissen wurden – wo die Eltern oder der Partner der monogamen Tiere noch am Nest „trauern“, da sie nicht verstehen, was passiert ist.
Damit sind wir mitten im Thema der wissenschaftlichen Forschung angekommen: Elmar Ballstaedt forscht, wie sich Plastik auf das Leben der großen weißen Seevögel auf dem Lummenfelsen auf Helgoland auswirkt, und welchen Ursprung die einzelnen Plastikteile in der Nordsee haben.
Erste Zwischenergebnisse der Forschung sind recht eindeutig: Es sind besondere Teile der Fischernetze, die von den Seevögeln zum Nestbau verwendet werden.
Wer sich die Bilder der letzten Beiträge anschaut, bemerkt, dass zwar einiges unterschiedliches Plastik in den Nestern ist, sich aber bestimmte Arten offensichtlich wiederholen. Diese Fasern werden häufig in der Grundschleppnetz-Fischerei eingesetzt und tragen den Namen „Dolly Ropes“.
Dolly Ropes sind Kunststofffasern verschiedener Farben. Man könnte meinen, sie seien Teile der eigentlichen Fischernetze – also eine Variation des Themas Geisternetze. Aber weit gefehlt: Dolly Ropes sind nicht versehentliches, ungeplantes und für den Fischer eigentlich unerwünschtes Treibgut.
Stattdessen werden sie dicht an dicht als zusätzliche Quasten, dem sogenannten “Scheuerschutz”, am unteren Ende des eigentlichen Fischernetzes angebracht. Sie scheuern dort über den Meeresboden, um das eigentliche Netz vor dem Verschleiß zu schützen. Dafür verschleißen aber die Dolly Ropes: sie fransen aus, reißen vom Netz ab und verbleiben im Meerwasser. Sie treiben herum, bis sie an Land angespült werden – oder eben, bis sie z.B. von einem Basstölpel aus dem Meer gefischt werden.
Das Bild oben zeigt den Vergleich von natürlichen und unnatürlichen Nistmaterialien.
Hier ist das vorläufigen Ende unserer Reportage zu „Basstölpel und Dolly Ropes – Helgolands Plastikproblem“. Wir haben das Leben der Helgoländer Basstölpel vorgestellt, und aufgezeigt, dass es auch Plastikmüll in den Meeren gibt, der nicht unmittelbar aus Abfällen resultiert – und der auch nicht weit weg stattfindet.
Offenbar – die Forschungszwischenergebnisse stützen diese These – gibt es auf Helgoland ein Plastikproblem, aus Zusatzfasern der großen Fischereinetze. Das sind zwei Überlegungen, die auch für uns neu waren.
Wir bleiben an dem Thema dran – wir unterstützen weiterhin medial die Forschung von Elmar Ballstaedt – mehr zu seiner Forschung aus seiner Projektseite: https://www.basstolpel-und-meeresmull.de. Zudem steuern wir Dolly-Rope-Proben bei, die wir in Holland und Norddeutschland gesammelt haben. #MeerSchutzDurchWissen eben.
Wir hoffen, Euch hiermit ein wenig sensibilisiert zu haben. Auch unser eigener regionaler Fischkonsum ist offenbar eine Mitursache für Plastikmüll im Meer – und der wirkt sich auch bei den wunderbaren großen Seevögeln auf Helgoland aus. Wir sollten das überdenken und überlegen, ob und wie wir hier eine Änderung erreichen.
ElasmOcean wird sich hierfür einsetzen – seid Ihr dabei?