Dorschbestände in der westlichen Ostsee sind auf einem historischen Tiefstand. Wird weiter gefischt, könnten sie so weit einbrechen, dass sie unwiederbringlich verloren sind – wenn nicht biologisch, dann doch zumindest für die 400 deutschen Berufsfischer, deren Lebenseinkommen u.a. von diesen Tieren abhängt.
Leider wäre das jedoch nicht das erste Mal, dass der Mensch das Meer um einen Fischbestand ärmer macht: Dies ist bereits im Mittelalter schon einmal geschehen.
Eine besonders aufwändige Studie aus Kiel hat die Fangzahlen zwischen 1200 und 1600 rekonstruiert. Schon damals, lange vor der Industrialisierung, waren eine Kombination aus Überfischung und äußeren Umwelteinflüssen die Treiber für den Bestandsrückgang. Um 1500 sank die Durchschnittstemperatur aufgrund einer Kälteperiode um 0,85°C, sodass der herbstlaichende Hering, damals eine Hauptnahrungsquelle für die florierende Hanse, nicht mehr genügend Jungtiere hervorbrachte, die den Winter überlebten. Schnell brachen die Bestände ein und zerstörten so die Lebensgrundlage tausender Fischer. Allein auf der Schwedischen Halbinsel lebten damals 45.000 Menschen vom Fischfang.
Bis heute, mehr als 400 Jahre nach der vollständigen Überfischung, kommt in der Ostsee nur noch der (heute ebenfalls überfischte) frühjahrslaichende Hering vor.
Aus dieser Geschichte können wir lernen und diesmal den Blick vom Teller auf die Zukunft richten.
Seit 2015 liegt die geschätzte Zahl fortpflanzungsfähiger Dorsche unter einem kritischen Grenzwert. Seit 2022 ist der kommerzielle Dorschfang daher verboten, abgesehen von ca. 500 Tonnen genehmigtem Beifang. Freizeitfischer dürfen noch einen Dorsch pro Tag entnehmen.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen reichen, damit das sozioökonomische und ökologische System nicht endgültig aus dem Gleichgewicht gerät.
Quellen:
Lehmann, O., Schmidt, J., Voss, R., (2021): „De vorbisteringhe deß heringheß uthe deme Sunde“ – Indizien für eine vorindustrielle Überfischung des Ostseeherings. Hansischen Geschichtsblätter (Band 139/2021)
Europäische Kommission: Fangmöglichkeiten in der Ostsee für 2023.