“Ich weiß, dass ich nichts weiß” – mit dieser philosophischen Überlegung kann man die Tiefseeforschung fast 2.500 Jahre nach Sokrates gut beschreiben. Dieser weitestgehend unerforschte Lebensraum nimmt 90 % der Ozeane und damit fast zwei Drittel der Erdoberfläche ein. Nur 5 % der Tiefsee sind bereits erforscht, gerade ein Fünftel ist kartiert. Der Rest liegt im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln, steht unter enormem Druck und ist eiskalt, was alles noch komplizierter macht.
Man erwartet daher nicht, was nun in einer Studie zur Tiefsee belegt wurde: Aus den tiefsten Tiefen der Meere entstammt Sauerstoff.
Die bahnbrechenden Forschungen eines internationalen Teams um Andrew Sweetman von der Scottish Association for Marine Science haben dies in den Manganknollenfeldern der Clarion-Clipperton-Zone nachgewiesen. Innerhalb von zwei Tagen stieg die Sauerstoffkonzentration an Manganknollen um das Dreifache im Verhältnis zu der Umgebung an, was die Forscher zuerst für einen Messfehler hielten. Doch die Ergebnisse bestätigen: Durch chemische Prozesse erzeugen Manganknollen genügend Energie, um Meerwasser durch Elektrolyse in seine Bestandteile zu zerlegen – und aus H2O wird so Sauerstoff abgesondert. Die Tiefsee hatte als Sauerstoffquelle kaum jemand auf dem Plan. Die Lehrbücher zur Entstehung des Lebens müssen unter Umständen überdacht werden.
Bedenkt man, wie lebenswichtig Sauerstoff für alles Leben der Erde (auch das menschliche!) ist, so ist umso mehr seit dieser Studie belegt: Die Erhaltung des Lebensraums der Tiefsee ist von essentieller Bedeutung. Wir müssen zudem angesichts unserer Unkenntnis über Zustände, Abläufe, Bedingungen und Wirkungen dort einen großen Sicherheitsabstand zu allem potenziell schädlichen Einfluss bewahren – wir ahnen ja nicht einmal, was unsere Eingriffe in die Tiefsee auslösen könnten.
Ausgerechnet in diesem Gebiet der Clarion-Clipperton-Zone sind bereits internationale Claims für den Abbau eben jener Manganknollen für die Produktion seltener Erden abgesteckt, und Planungen eines “systematischen Tiefseebergbaus” finden in vielen Ländern statt. Die Forschung wird kurzfristig nicht elementar weiter sein – wir wirken also blind ob aller Folgen unseres Tuns. Wieder einmal.
Daher kann es nur eine Haltung geben: Finger weg von der Tiefsee!