Vergangenes Wochenende wurde überall als Topmeldung verkündet: Ein Drittel der Meere werden unter Schutz gestellt. Was bedeutet dies?
Das 30/30 Ziel ist ein hehres: Bis zum Jahr 2030 sollen 30% des gesamten Ozeans unter Schutz gestellt werden. Diese Forderung von Meeres- und Artenschutzorganisationen gibt es schon lange; auch ElasmOcean hat sich von Anfang an dafür eingesetzt.
Doch was bedeutet eigentlich “Meeresschutzgebiet”? Staaten können innerhalb ihrer eigenen AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone) Meeresschutzgebiete einrichten – das sind grundsätzlich die Küstengebiete bis zur AWZ-Grenze bei 200 NM (etwa 370 km) – außerhalb dessen liegt die Hohe See, die keiner Nation zugeordnet ist. Doch dieser nationale Schutz wird von Land zu Land völlig unterschiedlich gestaltet. Eine MPA (Marine Protected Area) kann einen sehr geringen Schutzstatus haben oder einen hohen: wird sie als „No-Take-Area“ eingerichtet, also als Zone, in der keinerlei menschliche Nutzung wie Fischerei, Schifffahrt, Tourismus und Rohstoffabbau stattfinden darf, ist der Schutz für den Ozean grundlegend und nachhaltig. Bei geringerem Schutzstatus kann es indes vorkommen, dass ein Tunnel durch ein Schutzgebiet errichtet werden darf, wie beim Fehmarn-Belt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark. Ein anderes Beispiel ist die flächendeckend erlaubte Grundschleppnetzfischerei in der gesamten Nord- und Ostsee, obwohl sich dort zig Schutzgebiete befinden; sie haben leider nur jenen geringen Schutzstatus. Rund 40 % der deutschen AWZ in Nord- und Ostsee haben einen Schutzstatus – was wenig ausmacht, da er eigentlich alles zulässt, was der Mensch im Meer so „verbaselt“. Nach dieser Sichtweise hat Deutschland das 30/30-Ziel schon lange erreicht, allerdings nur auf dem Papier, da es kaum echten Schutz bietet und damit den Begriff “Meeresschutzgebiet” nicht wirklich erfüllt. Fordert man den (notwendigen) hohen Schutzstatus von “No-Take-Areas”, liegt die deutsche Quote tatsächlich bei 0%.
Am Samstag hat nun die UN mit 193 Mitgliedstaaten beschlossen, das 30/30-Ziel auch in internationalen Gewässern konsequent umzusetzen. “Das Schiff hat das Ufer erreicht”: So verkündete die Präsidentin der UN-Konferenz, Rena Lee, erleichtert nach einem 40-stündigem Sitzungsmarathon. Seit Jahren wurde verhandelt; nun ist der Durchbruch gelungen im ernsthaften Wille, den Ozean und vor allem die weitestgehend unerforschte Tiefsee zu schützen. Russland und China hatten versucht, das Abkommen in seiner Durchsetzung dadurch abzuschwächen, dass sie auf einstimmige Beschlüsse drängten. Dies hätte zur Folge, dass jedes einzelne Land allein ein Veto einlegen könnte, das alle Länder an einer Umsetzung hindern würde. Auch aus der einschlägigen Erfahrung bei anderen Gremien der UN ist dies nicht verabschiedet worden: das Abkommen sieht viele Entscheidungen mit Dreiviertelmehrheit vor, mit einem Verfahren zur Streitbeilegung – gute und praktikable Schritte. Nun müssen die Beschlüsse noch in die Vertragssprachen übersetzt und von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, was sicherlich noch einige Monate beanspruchen wird.
Wir hoffen, dass die beschlossenen 30 % aller Ozeane, die unter Schutz gestellt werden, auch wirklich den nötigen hohen Status als “No-Take-Area” erhalten. Auch werden wir beobachten und uns dafür einsetzen, dass aus der Tiefsee keine “Bodenschätze” wie Manganknollen gewonnen werden dürfen. Wie so oft, wird es jetzt an der konkreten Umsetzung liegen, ob die Menschheit einmal mehr etwas auf dem Papier beschließt, oder ob ein wirklicher Wille der Staatenmehrheit zum Schutz unserer Ozeane, seiner Lebewesen und damit der Menschheit existiert!
Immerhin: Kurz vor diesem Durchbruch wurden auf der „Our Ocean“-Konferenz in Panama umfangreiche Gelder für den Schutz der Ozeane beschlossen: Insgesamt 18,8 Milliarden Euro, davon allein 7 Milliarden aus den USA und über 800 Millionen Euro von der EU sollen zukünftig den Meeresschutz zusätzlich verstärken. Auch das ist keine schlechte Nachricht.