Erschreckende Details über die Grundschleppnetzfischerei in den Niederlanden: Ein Bericht aus Stellendam und Den Helder zeigt den Niedergang der Branche und die gravierenden Umweltschäden.
Unser Team war vor einigen Tagen in den Niederlanden unterwegs. Dort bietet sich ein sehr ambivalentes Bild, was die Grundschleppnetzfischerei betrifft. Wir berichteten bereits früher über die traurigen Zustände in Den Helder nördlich von Amsterdam und auf der Insel Texel.
In Stellendam, dem Fischereihafen südlich von Rotterdam, bietet sich jetzt ein ähnliches Bild: Im Binnenhafen liegen zig vor sich hin rostende Grundschleppnetzschiffe. Sie sind, wie uns die Fischer erzählt haben, für die Verschrottung oder für den Weiterverkauf in andere Länder vorgesehen (genannt wurden Länder innerhalb und außerhalb der Europäischen Union). Der niederländischen Grundschleppnetzfischerei als Wirtschaftsgruppe geht es nicht gut, das ist offensichtlich. Der Niedergang ist teilweise hausgemacht: Der Brexit mit seiner Beschränkung der EU-Gewässer und die hohen Energiekosten tragen einen guten Teil bei. Aber die zurückgehenden Fischbestände durch die massive Überfischung der letzten Jahrzehnte ist der Hauptfaktor für zurückgehende Erträge.
Rund um den Außenhafen von Stellendam findet aber mit der restlichen Flotte „business as usual“ statt. Die verbleibenden Schiffe benutzen weiterhin exzessiv Dolly Ropes und fahren zwischen den Meeresschutzgebieten und den Robbenbänken umher – mit fatalen Folgen für die Natur!
Netze, die herren- und frauenlos durch die Meere treiben. Sie werden über viele Jahre zu Mikroplastik zerrieben, einem der großen Probleme der Ozeane. In der Zeit davor sind sie auch bereits eine tägliche Gefahr: für Meeresbewohner, die von Natur und Evolution nicht auf Plastikverschmutzung eingerichtet sind.
Im letzten Jahr lagen die durchschnittlichen Verstrickungen von Kegelrobben und Seehunden in den Niederlanden bei ca. 40 registrierten, festsitzenden Individuen. Diese Auskunft erteilen die drei Robbenzentren Pieterburen, Ecomare und Aseal, die sich um die Rettung der Tiere bemühen. Im Jahr 2010 gab es 8 Meldungen, im Jahr 2020 waren es insgesamt 35 – schon eine Vervierfachung.
Dieses Jahr, 2024, wurden in den ersten fünf Monaten bereits über 50 Fälle gemeldet, mehr als im gesamten Vorjahr. Linear hochgerechnet würden es deutlich über 100 Tiere in 2024 werden …
Hierbei spielt auch die Art der Robben eine Rolle: Kegelrobben leben vermehrt auf den Bänken und sind sehr wissbegierig und verspielt. Sie stecken gerne ihre Köpfe in Gegenstände, wie eben bunte Netze oder auch achtlos am Strand zurückgelassenen Müll, der ins Meer gerät. Aber der Strandurlauber ist für diesen Aspekt mit 12 % Ursächlichleit nachrangig: mit 88 % wird der Großteil der Verstrickungen durch Netze, Leinen und Haken der Fischerei verursacht.
Das Spezialteam Seal Response Team wurde von den Robbenzentren Pieterburen, Ecomare und Aseal gegründet, und fängt die verstricken Tiere ein und befreit sie – und wenn es nötig ist, behandelt es sie.
Das Grundproblem bleibt die Grundschleppnetzfischerei. Neben den massiven Schäden, die diese Netze am Grund der Meere anrichten, dem Beifang und der Plastikvermüllung vor allem durch die Dolly Ropes, schadet sie auch den Robbenbeständen der Nordsee. Die Grundschleppnetzfischerei findet direkt vor der niederländischen Küste statt, wenn die Fischer küstennah unmittelbar vor den eigentlich geschützten Robbenbänken ihrem Handwerk nachgehen – man kann sie vom Strand aus nicht nur sehen, sondern auch hören und riechen, so nah sind die Schiffe.
Es gibt Länder, die sind im Meeresschutz weiter, z.B. Griechenland.
In den griechischen Meeresnationalparks darf ab 2026 nicht mehr mit Grundschleppnetzen gefischt werden.
Diese begeisternde Maßnahme hat die griechische Regierung kürzlich beschlossen. Ab 2030 gilt diese Regel dann in allen Meeresschutzgebieten des Landes. Damit setzt Griechenland als erstes Land einen Vorschlag der EU-Kommission um, das Fischen mit Grundschleppnetzen bis 2030 in allen Schutzgebieten zu verbieten.
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, immerhin. Aber leider bedeutet er im Umkehrschluss nicht, dass diese nicht-nachhaltige, extrem umwelt- und klimaschädliche Fischereimethode generell verboten wird. Nein, sie wird “nur” aus den Schutzgebieten verbannt. Und alle anderen Diskussionen zu dem Thema sind unterbunden, weil man den Meeresschützern ja etwas geboten hat – so gewinnen Lobbyisten Zeit, wenn sie schon nicht mehr komplett gewinnen können.
Der niedrige Status von Meeresschutzgebieten lässt aktuell Grundschleppnetzfischerei noch innerhalb der Gebiete zu. Erst echte „No Take”-Zonen bieten wirklichen Schutz vor Fischerei und menschlicher Nutzung. Sie existieren in der EU so gut wie gar nicht, in deutschen Nord- und Ostseegewässern keine einzige!
Der deutsche Landwirtschaftsminister Özdemir ist 2023 nach Protesten der norddeutschen Krabbenfischer eingeknickt und lehnt ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei in deutschen Meeresschutzgebieten ab. Das Umweltministerium ist anderer Meinung, da eigentlich, auf dem Papier, 47 % der deutschen Meeresfläche unter Schutz steht. So befürwortet die Politik einerseits das “30/30”-Ziel (30 % der Meere sind bis 2030 Schutzgebiete), andererseits wird beim ersten Protest einer Minderheit eingelenkt. Eine selbstbewusste Politik sollte anders aussehen – die Abgeordneten sind der Wahlmehrheit verpflichtet, nicht besonders gut organisierten, lauten Minderheiten.
Aus Sicht von Meeresschützern ist dies eine völlig absurde Situation. Die Fischer berufen sich bei ihren Argumenten immer wieder auf „Tradition“. Kein besonders überzeugendes, nachhaltiges Argument – viele “moderne” Errungenschaften haben alte Traditionen zum Besseren abgelöst. Es ist an der Zeit, auch mit umweltzerstörenden und klimafeindlichen Traditionen zu brechen!
ElasmOcean setzt sich für ein generelles Verbot der Grundschleppnetz- und Tiefsee-Grundschleppnetzfischerei ein.