Die Tiefsee als mit Abstand größter Lebensraum unseres Planeten ist so gut wie unerforscht: Die Menschheit weiß mehr über die Rückseite des Mondes als über die Meere der Erde. Erst 20 % der Tiefsee sind kartiert – und diese macht fast zwei Drittel der Oberfläche unseres Planeten aus. Wie unwissend wir tatsächlich sind, hat nun ein Team um Katherine Bell untersucht.
Durch Tiefseeexpeditionen wurden bislang nur 0,001 % visuell erfasst. Das ist ausgesprochen: ein Promille von einem Prozent, ein Hunderttausendstel.
Diese Erfassung ist zudem auch noch recht ungleich verteilt: Die Auswertung von 44.000 Tiefseetauchgänge seit dem Jahr 1958 zeigt, dass fast zwei Drittel davon bei Japan, Neuseeland und den USA erfolgten (in deren Ausschließlichen Wirtschaftszonen AWZ, also den 200sm-Zonen). Nimmt man Frankreich und Deutschland hinzu, summieren sich die Expeditionen dieser fünf Länder auf 95 % aller Tiefseetauchfahrten.
Wir haben also ein völlig verzerrtes Bild dieses 336 Millionen Quadratkilometer großen Lebensraums. Er ist mit Sicherheit weitaus diverser, als diese minimale Momentaufnahme offenlegt: Belgien ist zehnmal so groß. Einige Canyons und Tiefseeberge sind gut erforscht, doch die weiten Ebenen dazwischen sind ein einziger, riesiger, weißer Fleck auf der Weltozeankarte.
Klar ist dadurch: Wenn wir so wenig wissen, können wir den nötigen Sicherheitsabstand unserer Handlungen (“Wie weit kann ich gehen, bevor ich etwas gefährde?”) nicht einmal definieren. Wir wissen nicht, was da ist – also wissen wir auch nicht, was wir da beschädigen oder zerstören.
Wie man vor diesem Hintergrund den Tiefseebergbau fördern oder genehmigen kann, ist uns ein Rätsel. Die Folgen könnten gravierend sein – und auch hier wissen wir fast nichts: Welchen Einfluss hat die Tiefsee als wichtigste CO2-Senke und Klimaregulator auf uns? Welcher Lebensraum für eine weitestgehend unerforschte Tierwelt ist von der Ausbeutung betroffen? Wir wissen es nicht. Daher: Finger weg von der Tiefsee!