Im Dezember passieren unglaubliche Dinge auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland: Die Kegelrobben kommen auf die Düne, die sandige Nachbarinsel von Helgoland. Es ist tiefster Winter, es stürmt, es regnet – und genau jetzt in dieser kalten Jahreszeit gebären die Kegelrobben ihre Jungen.
Unser Team war auf der Insel, um an einem Seminar über Deutschlands größte Raubtiere, die Kegelrobben teilzunehmen, unter der Leitung der promovierten Biologin und Leiterin der Naturakademie Jordsand, Leonie John. Bevor es auf die Düne ging, wurde dem Team klar gemacht, dass man die Kegelrobben nicht anfassen darf und Abstand halten muss. Diese „Spielregeln“ existieren und werden auch streng überwacht. Aber das Anfassverbot (meint: 30 Meter Abstand) und der einfache Hinweis, dass ein großes Teleobjektiv nur dann nötig ist, wenn man jedes Barthaar einzeln fotografieren wolle, bereiteten uns nicht auf das vor, was uns erwartete. Es war tatsächlich „Kegelrobbe auf Tuchfühlung“, so dass sich eher der Mensch zurückziehen muss. Etwa 800 Tiere liegen überall herum, teils auch auf oder direkt neben den Wegen.
Die Jungen kommen mit flauschig weißem Fell auf die Welt und werden von ihrer Mutter zwei bis drei lang Wochen gesäugt. Robbenmilch enthält 50 bis 60 Prozent Fett, so dass die Jungen innerhalb kürzester Zeit vom Geburtsgewicht von ca. 12 Kilogramm auf 45 Kilogramm heranwachsen. Etwa in der vierten Lebenswoche werden die Jungen entwöhnt und sich selbst überlassen. In dieser Phase verlieren die jungen Robben ihr flauschiges weißes Fell. Die Mutter paart sich bereits wieder mit einem Bullen am Strand und kehrt, gehörig abgemagert, ins Meer zurück. Und wenn der Fellwechsel vollständig ist und der Hunger die Jungrobbe antreibt, findet auch sie ihren Weg in die Nordsee und muss von Anfang an eigenständig jagen und überleben.
Kegelrobben sind Deutschland größte Raubtiere und stehen unter strengem Naturschutz. Sie sind der APEX-Prädator in der Nordsee und absolute Opportunisten. Das hat sie nicht davor geschützt, durch die menschliche Jagd fast ausgerottet zu werden. Erst seit die Schutzmaßnahmen wie das 1988 verhängte Jagdverbot in der Nord- und Ostsee greifen, haben sich die Bestände erholt. Die Kinderstube der Kegelrobben auf der Düne bei Helgoland ist ein Paradebeispiel dafür, wie effektiv und gut Naturschutz greifen kann, wenn man den Tieren den nötigen Raum gibt und der Mensch sich zurückhält.
Der Verein Jordsand trägt mit seinen Zählungen und Seminaren dazu bei, das Verständnis für diese wunderbaren Tiere aufzubauen. Unser Team hat ein lehrreiches und faszinierendes Wochenende bei Leonie John und ihrem Team erlebt.
Der Steckbrief der Kegelrobbe:
Gewicht: 250-330 kg
Länge: 2,8 m (m); 2,3 m (w)
Fell: Grundton mit Flecken, dunkel mit hellen Flecken (m), hell mit dunklen Flecken (w)
II-förmige Nasenschlitze
Alter: 25-30 Jahre (m), 30-35 Jahre (w)
Nahrung: Fische und Weichtiere, andere Meeressäuger
Fellwechsel: Februar-März
Fortpflanzung / Geburten: Nov.-Jan. Festland
Paarung: im Anschluss an Geburt und Aufzucht
Bewegung: Geschwindigkeit ca. 20 km/h an Land, ca. 30 km/h im Wasser.
Tauchtiefe bis 140 m, Tauchzeit bis zu 20 Minuten



