Biodiversität
Die Biodiversität, also die biologische Vielfalt, gliedert sich in drei grobe Ebenen und ist ausschlaggebend für die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen [Quelle 1]. Das Wechselspiel zwischen den einzelnen Ebenen ermöglicht den Fortbestand des Lebens. Dennoch, und ungeachtet der bisherigen Schutzmaßnahmen, ist die Biodiversität unseres Planeten bedroht.
Beim Begriff „biologische Vielfalt“ denken die meisten Menschen vermutlich erst einmal an das Artensterben. Dieses ist natürlich auch eng daran geknüpft, aber es steckt mehr dahinter: Die Vielfalt der Ökosysteme, der Arten und ihres Erbguts.
Anpassung an Umweltveränderungen und Artentstehung ist nur durch den Austausch und die Veränderung, „Mutation“ von genetischem Erbmaterial möglich. Je mehr Tiere es von einer Art gibt, desto größer ist die Chance, dass einzelne Individuen unter verschärften Bedingungen überleben können. Sinkt die Zahl der Individuen, so kommt es erst zur Stagnation der Anpassungsfähigkeit (grob geschätzt unter 500 Tiere) und dann zur Inzucht (etwa ab unter 50 Tieren) [Quelle 1]. Nebenbei bemerkt ist das auch der Grund, warum „Arterhaltung im Zoo“ nur schwer bis gar nicht möglich ist.
Auf der höchsten, komplexesten Ebene steht die Vielfalt der Ökosysteme. Den Globus umspannend, sind sie miteinander vernetzt: Von den tropischen Korallenriffen, Seegraswiesen und den Böden der Tiefsee über Flüsse, Wälder, Wiesen bis hin zu Eiswüsten und der Tundra an den Polen. Selbst an der Unterseite des Meereises bilden Algen und Plankton die Basis für ein produktives, nährstoffreiches Ökosystem. Diese Ökosysteme produzieren in ihrer Gesamtheit Sauerstoff und Energie, verhindern Bodenerosion und -verarmung, binden Kohlenstoff aus der Atmosphäre und liefern Nahrung für uns, den Menschen. Diese Benefits werden als Ökosystemleistungen bezeichnet und sind in den meisten Fällen sehr viel wertvoller als eine einzelne Ressource, deren Abbau das Ökosystem zum Kippen brächte.
Das Fundament eines funktionierenden Ökosystems sind die Tier- und Pflanzenarten, die es besiedeln. Dabei gibt es sogenannte „keystone species“, Schlüsselarten, die ihre Umgebung maßgeblich formen und beeinflussen, wie beispielsweise riffbildende Korallen. Im Umweltschutz kommen häufig „flagship species“ zum Einsatz, Flaggschiffarten, deren Erhaltung stellvertretend für ihre Mitbewohner im Ökosystem vorangetrieben werden soll. Artenschutz geht allerdings weit über den Schutz der freundlichen Delfine oder der niedlichen Wildkatze hinaus – unter ihrem Rettungsschirm gedeihen auch andere wichtige Arten.
Ein Problem des Biodiversitätsschutzes ist der schleichende Prozess, durch den das Aussterben verläuft. Erst wird aus einer zahlreichen Bevölkerung der Erde oder der Ozeane eine zusammengeschrumpfte, seltene Art. Es gibt nur noch wenige Nashörner in Afrikas Savannen – wäre ihr Aussterben so fatal? Aus der Perspektive einiger Jahre vielleicht nicht. Aus der Perspektive einiger Generationen, innerhalb derer ihre einstmals große Zahl dezimiert wurde, aber sehr. Unsere weichgespülte Wahrnehmung von Veränderung wird „shifting baseline“ genannt (verschobene Nulllinie). Rufen wir uns die Veränderungen nicht immer wieder bewusst ins Gedächtnis, geraten sie im Alltagsgeschehen in Vergessenheit [Quelle 2].
Quellen:
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1. Spektrum der Wissenschaft – Lexikon der Biologie (Zugr. 10.10.20): Biodiversität.
https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/biodiversitaet/8597
2. D. Pauly (1995): Anecdotes and the shifting baseline syndrome of fisheries. Trends in Ecology and Evolution.
Bildnachweise:
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Friederike Kremer-Obrock